Gefühle eines unerfahrenen Wildwasserfahrers – lang, lang ist’s her

Man vergisst viel, aber an manche, insbesondere aufregende Erlebnisse, erinnert man sich, als fänden sie gerade jetzt statt.

Angeschaut haben wir sie, die Scheibum, und nun laden wir die Boote von den Autos ab. Zwei Mann tragen immer zwei Boote runter zum Wasser. Und dann das Übliche bei einer Wildwasserfahrt, rein in den Neoprenanzug, Spritzdecke an, Schwimmweste drüber und Helm auf. Erfahrungen mit Wildwasser habe ich kaum. Die Ardèche an Ostern und vor fünf Jahren fuhr ich mit meinem Schwager die Ammer. Und heute wieder. Wieder dieses verdammte Prickeln in der Magengegend, ein deutliches Zeichen von Nervosität. Da mußt du durch, sage ich mir und hole tief Luft.

Die Scheibum, dieser Felsen, der nach einem Abfall quer in der Strömung liegt. Dieses schäumende, spritzende, weiße Wasser und dieses tiefe Loch. Ich kam nicht mit den Füßen auf den Boden als ich vor fünf Jahren hier fuhr; die Brille hatte es mir aber abgesetzt.

Die Nervosität ist schlimm, ich muß zu einem Baum gehen und pinkeln, das erleichtert. Aha, Peter steht auch schon da. Er ist ein erfahrener Wildwasserkanute.

Wir steigen in die Boote und langsam fährt einer hinter dem anderen auf die Scheibum zu. Auf den Felsen vor dem Abfall achten, rechts oder links vorbei. Konrads Bekannter fährt aus der Strömung raus. Was ist los? Sein Paddel ist abgebrochen. Dann der Abfall, Gischt, spritzendes und verwirbeltes Wasser, ein Schlag und es klappt. Oh, gleich der nächste Abfall und jetzt ins ruhige Kammerl.

Tief durchatmen, das Prickeln geht zurück. Dafür steigt die Stimmung und das Hochgefühl.

Einige Meter über der Wasseroberfläche ist am Felsen eine Vorrichtung angebracht, um sich mit dem Boot ins Wasser stürzen zu lassen. Der sogenannte Kammerlsprung. Eine abgemachte Sache für Konrad, der gestern Abend beim süffigen bayrischen Bier alle dazu verpflichtete. Jetzt kneifen alle bis auf einen, Konrad.

Jürgen schiebt ihn über die Halterung. Das Boot kippt, sobald der Schwerpunkt über die Auflage gelangt. Daher kommt es darauf an, dem Boot den nötigen Schwung mitzugeben, damit es nicht zu steil ins Wasser taucht. Es kann eigentlich nichts passieren, man legt sich zurück mit quergehaltenem Paddel, damit das Boot beim Eintauchen stabilisiert wird.

Der Schwerpunkt von Boot und Konrad gehen über die Kante der Auflage, steil tauchen sie in das grüne Wasser des Kammerls ein, nur die schwarze Heckkappe seines roten Bootes ist noch zu sehen. Dann schnellt das Boot hoch und Konrad schwimmt. Konrad schreit: „Jürgen!“ Die Spritzdecke war aufgegangen.

Wir fahren weiter. Den Schlitz beim Naturwehr jetzt finden. Konzentriert fahren. Das Paddel tief in der Walze ansetzen. Gut und die Stufen, oh je, an die erinnere ich mich nicht mehr. Aber nur Wilfried nach. Das geht gut. Die Schleierfälle. Das Gefühl wird immer besser.

Aber da gab es doch noch diesen quaderförmigen Felsen, auf den die Strömung zulief. Ich erinnere mich genau. Damals hatte ich falsch gekantet, wie ein Radfahrer. Diesmal mach ich es besser oder gibt es ihn nicht mehr. Keiner weiß, welchen Felsen ich meine.

Ingrid zu Wilfried: „Ich nehme den Rentnerweg.“ Und dann sehe ich ihn. Es gibt ihn noch. Quer liegt der Felsen in der Strömung, steil steht das Wasser am Felsen, und wie eine Schlange legt sich die Strömung um seine rechte Kante. Ich kante stromabwärts und vergesse zu paddeln. Jetzt hänge ich am Felsen und im nächsten Moment schwimme ich. So ein Ärger! Konrad lacht und ruft: „Favoritentöter!“ Dann geht es weiter.

Überstanden habe ich die Fahrt gut, aufregend war es gewiß und Spaß hat es auch gemacht.

Von Karl-Heinz Petry (Aus der Festschrift zum 25-jährigen Vereinsjubiläum)

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