Leben im Jugenddorf 1968

Aus der Werkszeitung der BASF über das Werk Ludwigshafen

Weit über tausend junge Menschen aus allen Teilen des Bundesgebietes und dem Ausland finden während ihrer Lehre und teilweise auch danach in den Jugenddörfern des christlichen Jugenddorfwerkes Unterkunft und Betreuung. Aus den Jahresberichten 1968 sind die Leistungen und Ergebnisse dieser Gemeinschaften gut erkennbar.

Jugenddörfer auf großer Wanderfahrt mit selbstgebauten Booten (BASF)

Der Jahresbericht 1968 des Jugenddorfes Limburgerhof ist ein Erfolgsbericht. Deutlich ist zu erkennen, dass junge Menschen hier eine ideale Umwelt vorfinden, um sich persönlich, in der Gemeinschaft und im Beruf zu entwickeln und zu entfalten. In den 23 Häusern des Jugenddorfes wohnten Ende des vergangenen Jahres 485 Lehrlinge, 230 aus handwerklichen und 254 aus naturwissenschaftlich orientierten Berufen sowie 1 Gärtner. Die Lehrlinge kommen aus verschiedenen Regionen. Die meisten ­ 167 ­ sind aus Rheinland­Pfalz, 114 aus dem Saargebiet, 96 aus Bayern/Oberpfalz, 42 aus Baden­Württemberg, 37 aus Schleswig­ Holstein, 26 aus anderen Gebieten und 3 aus dem Ausland. Von ihnen sind 158 14 bis 16 Jahre alt, 231 17 bis 18 Jahre, 94 19 bis 21 Jahre und 2 über 21 Jahre.

Den jungen Leuten ist eine ganze Reihe beruflicher Fortbildungsmöglichkeiten geboten, von denen sie erfreulich regen Gebrauch machen. Da gibt es an berufsbegleitenden Maßnahmen Einführungskurse für Anfänger und Vorbereitungskurse für Prüflinge, allgemeinen Unterricht in Deutsch, Rechnen, Mathematik, Englisch, Biologie und Stenographie, an denen 147 Jugendliche regelmäßig teilnahmen. Weitere 59 beteiligten sich an Fortbildungskursen außerhalb des Jugenddorfes und 32 übten sich bei speziellem Einzel­ und Gruppenunterricht. Der Erfolg blieb nicht aus: Alle 188 Lehrlinge aus dem Jugenddorf bestanden ihre Lehrabschlussprüfungen, 15 wurden wegen besonderer Leistungen ausgezeichnet und 4 konnten ihre Lehrzeit sogar vorzeitig erfolgreich beenden.

Die Freizeit ist im Jugenddorf aber nicht nur zum Lernen da. Viele Jugendliche haben Theater­ oder Konzertabonnements in Ludwigshafen, Mannheim und Speyer; auch die 25 kulturellen Jugenddorfabende, von denen 6 die BASF vermittelte, waren gut besucht. Bei 34 Kinoabenden wurden 17 Filme gezeigt, und ein Wochenendseminar führte in den Popfilm ein. Außerdem gab es noch 29 besinnliche und gesellige Veranstaltungen in den Gemeinschaftsräumen; Quizabende, Kajütenabende, Skat­ und Schachturniere, Diskothekveranstaftungen und Tanzparties bereicherten das Leben in den Clubräumen. Wer etwas für seine Allgemeinbildung tun wollte, beteiligte sich in den politischen oder musischen Arbeitskreisen.

Ganz groß war der Sport geschrieben. Im Vordergrund standen Leichtathletik Handball, Fußball, Basketball, Tischtennis, Schwimmen, Rettungsschwimmen, Kanufahren, Judo, Karate und Schießen. Ein reichhaltiges Fahrtenprogramm rundete die „geplante“ Freizeit ab. Über all den Freizeitbeschäftigungen wird aber auch nicht vergessen, dass das Jugenddorf ein demokratisches „Gemeinwesen“ ist. Es gibt einen frei gewählten Jugenddorfrat, der alle 14 Tage zusammentritt, um über Fragen der Mitverantwortung in der Leitung des Jugenddorfes zu beraten. Ordnungsübertretungen werden zunächst vor einem eigenen Jugenddorfgericht verhandelt, dessen „Gesetzbuch“ die Jugenddorf­ und Gerichtsordnung ist. Damit kapselt sich das Jugenddorf aber nicht etwa gegen die Außenwelt ab. Ganz im Gegenteil: Durch planmäßige Öffentlichkeitsarbeit wurden die Kontakte zur Gemeinde Limburgerhof vermehrt; die Mitwirkung des Jugenddorfs bei Veranstaltungen ortsansässiger Vereine begründete enge persönliche Verbindungen. Schließlich handelt es sich um ein christliches Jugenddorf. Aber es ist konfessionell nicht einseitig: 255 Jugendliche sind evangelisch, 223 katholisch und 7 gehören anderen Religionsgemeinschaften an. Dementsprechend ist auch die Seelsorge differenziert. In Kreisen für Lebensfragen befassten sich die Teilnehmer allgemein mit dem christlichen Menschenbild.

Das grundsätzlich über das Leben im Jugenddorf Limburgerhof Gesagte ist sinngemäß auch auf die anderen Jugenddörfer in Neustadt/Weinstraße (bis zu 188 Jungen), Germersheim (bis zu 102 Jungen), Mühlacker (bis zu 105 Jungen) und drei Hauser in Ludwigshafen (zusammen bis zu 278 junge Männer) anzuwenden.

Im Jugenddorf Neustadt wurden während des letzten Jahres ein Sportkeller und ein Beatkeller ausgebaut. Großer Wert wurde aber auch auf berufsbegleitende Förderkurse für naturwissenschaftlich orientierte Berufe gelegt. Für Laboranten und Chemiefachwerker waren halbjähriqe Abschlusskurse eingerichtet, und die Lehrlinge handwerklicher Berufe konnten an Fachrechenkursen teilnehmen. Unter der vielfältigen Freizeitarbeit verdienen die Jugenddorfabende mit prominenten Vertretern aus Politik undWirtschaft sowie eine Fotoausstellung sowie die kulturellen und sportlichen Begegnungen mit französischen Offizieren und Mannschaften, die in Neustadt stationiert sind, besondere Erwähnung. Wochenendseminare dienten der politischen Bildungsarbeit, der Kammermusikkreis gab vier Konzerte und wirkte beim Empfang für den Staatspräsidenten Leopold Senghor mit, die Laienspielgruppe konnte ihre Spiele mehrfach öffentlich aufführen. und der Sport hat in den Gruppen Handball, Fußball, Judo. Tischtennis, Leichtathletik und Schwimmen einen starken Aufschwung genommen.

Im Jugenddorf Germersheim wurde ebenfalls fleißig gebaut und ausgestaltet. Unter anderem gibt es dort jetzt eine Bauernstube, einen Clubraum und einen Kellerclubraum. an deren Gestaltung die Jungen selbst maßgeblich beteiligt waren. Die ausschließlich handwerklichen Lehrlinge wurden durch berufsbegleitende Maßnahmen bestmöglich gefördert, um das Lehrziel mit Erfolg zu erreichen. Im Mittelpunkt der Freizeitgestaltung stand der Besuch verschiedener Konzerte und Theaterveranstaltungen; die Gruppenarbeit konzentrierte sich auf politische Seminare, Ausstellungsbeteiligungen mit selbst erarbeiteten Großfotos und Tafeln und sportliche Betätigung. Die Kanuten des Jugenddorfes erhielten den Ehrenpreis der Stadt Germersheim als „Mannschaft des Jahres“• und wurden Landessieger der Pfalz. Bei der Bundeskanuregatta des Jugenddorfwerkes errangen die Germersheimer 5 erste, 13 zweite und 4 dritte Plätze: eine anerkennenswerte Leistung. Mit den selbstgebauten Booten wurden auch zahlreiche Wanderfahrten ­ zusammen 21 000 Wanderkilometer ­ unternommen. die bis nach Luxemburg und bis zum Mittelmeer reichten. Auf ganz anderem Gebiet fand man ebenfalls Anerkennung: Das Jugenddorf belegte den zweiten Platz im Blumenwettbewerb zur Verschönerung des Stadtbildes.

Im Jugenddorf Mühlacker wohnen ausschließlich Lehrlinge handwerklicher Berufe. Sie betätigen sich auf allen Gebieten der berufsbegleitenden, der politischen und der kulturellen Bildungsarbeit, treiben Sport ­vor allem Kanusport ­und besuchen in ihrer Freizeit kulturelle Veranstaltungen aller Art, die sie zum Teil selbst gestalten.

Die Häuser „Rheinpfalz“, „Friesenheim“ und „August­-Winning-­Haus“ in Ludwigshafen nehmen im Rahmen der Jugenddörfer eine gewisse Sonderstellung ein; denn in ihnen wohnen junge Männer unter 25 Jahren, die ihre Lehrzeit bereits mit Erfolg hinter sich gebracht haben. Bei ihnen kommt es vor allem darauf an, sich bei den ersten selbständigen Schritten mit selbstverdientem Lohn zu sinnvoller Lebensführung beraten zu lassen.

Die Ergebnisse, die unsere Jugenddörfer erzielt haben, sind hervorragend. Die Arbeit der Jugendleiter und Erzieher dieser Jugenddörfer verdient deshalb Anerkennung.

 

 

Wir bedanken uns bei der BASF Ludwigshafen für die freundliche Genehmigung
einer wörtlichen Wiedergabe dieses Artikels aus der Werkszeitung der BASF
Ausgabe 1969, Heft 2, S. D-E

Quelle: BASF Corporate History